Wolfgang Bonß
Vom Risiko
Unsicherheit und Ungewißheit in der Moderne
Seit der Katastrophe von Tschernobyl ist das Wort »Risiko« in
aller Munde. Welche Tragweite es als gesellschaftstheoretischer
Begriff hat, untersucht Wolfgang Bonß historisch und
systematisch.
Warum gerade die Tulpe um 1630 plötzlich zur gefragten Modeblume
wurde, ist bis heute nicht geklärt. Aber zwischen 1633 und 1637
wurden die Kaffeehäuser zu Tulpenbörsen, an denen es schon bald
nicht mehr um den Besitz wirklicher Tulpen ging, sondern um den
Handel mit imaginären Werterwartungen. Solange jeder mit
steigenden Zwiebelpreisen rechnete, kletterten die Kurse. Am 2.
und 3. Februar 1637 entstand im Haarlemer Handel Unsicherheit,
am 4. Februar bei fallenden Preisen Panik, und binnen einer
Woche waren die unbezahlbaren Pflanzen zu wertlosen Knollen
geworden.
Die Moderne begreift Unsicherheit nicht mehr als Gefahr, sondern
als Risiko, und sie entwickelt zugleich die Idee einer
Verwissenschaftlichung der Unsicherheit, die darauf abzielt,
Unsicheres sicher, Uneindeutiges eindeutig und den Zufall
beherrschbar zu machen. Wie die Katastrophengeschichte des 20.
Jahrhunderts zeigt, verwandeln sich allerdings gerade
wissenschaftsinduzierte Risiken oft erneut in Gefahren.
Diesen Entwicklungsgang zeichnet Wolfgang Bonß nach und arbeitet
den soziologischen Gehalt, die historische Herausbildung und die
systematischen Grenzen des Risikokonzepts heraus.
- Hamburger Edition